„Hagen“ bringt das berühmte Nibelungenlied in die Gegenwart. Doch kann der deutsche Fantasy-Film im Kino überzeugen?
Das Nibelungenlied gehört zu den größten literarischen Werken Deutschlands. Das Helden-Epos rund um den Drachentöter Siegfried und Kriemhild wurde schon mehrfach verfilmt, unter anderem 1924 als monumentaler Stummfilm von Fritz Lang. Nun bringt Constantin Film mit „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ eine Adaption von Wolfgang Hohlbeins Version der Geschichte. Über zwei Stunden geht der Film und will mit großen Schauwerten aufwarten – doch kann das im Kino funktionieren?
Darum geht es in der Nibelungen-Verfilmung
Die Story spielt sich zu großen Teilen so ab, wie es bekannt ist: Im Mittelalter übernimmt Gunther (Dominic Marcus Singer) nach dem Tod seines Vaters den Thron von Burgund. Um die eigenen Reihen zu stärken, will er seine Schwester Kriemhild (Lilja van der Zwaag) verheiraten. Das widerstrebt unter Anderem dem Waffenmeister Hagen (Gijs Naber). Plötzlich steht Siegfried von Xanten (Jannis Niewöhner) vor den Toren von Worms. Der legendäre Held scheint das Blatt in den unruhigen Zeiten wenden zu können – sehr zum Missfallen von Hagen.
Um diese grundlegende Dynamik passiert noch eine ganze Menge. Kriege mit den Sachsen und Dänen, die Liebesgeschichte zwischen Siegfried und Kriemhild, ein Ausflug nach Island – und natürlich gibt es all die fantastischen Elemente, wie ein erschlagener Drache, ein beinahe unverletzbarer Krieger sowie der Zwerg Alberich. Das ist selbst für einen Film, der über zwei Stunden geht, eine ziemliche Menge. Trotzdem hat „Hagen“ seltsame Probleme beim Erzähltempo. Während die erste Stunde sich fast ausschließlich in und um Worms abspielt und sich die Figuren meist nur unterhalten, legt die zweite Hälfte plötzlich gleich mehrere Gänge drauf. Hier werden plötzlich langwierige Reisen oder wichtige Elemente der Geschichte in kurzer Zeit abgespult. So bekommen die Zuschauer:innen meist nur gesagt, wie Figuren zueinander stehen, ein richtiges Gespür dafür bekommt man eher weniger – wenn sie überhaupt etwas zu tun haben. Das ist vor allem deswegen ärgerlich, da die Regisseure und Autoren Cyrill Boss und Philipp Stennert durchaus in der Lage sind, eine dichte Atmosphäre zu erzeugen.
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Seien es die düsteren Gemäuer einer Burg, der beeindruckende Flashbacks zu Siegfrieds Bad im Drachenblut oder die Reise durch das wunderschöne Island, „Hagen“ kann sich durchaus sehen und hören lassen. Die großen Vorbilder wie „Der Herr der Ringe“ oder „Game of Thrones“ sind eindeutig erkennbar, aber gegenüber diesen Vorreitern braucht sich die deutsche Produktion nicht wirklich zu verstecken. Was ihr aber mehrmals ein Bein stellt, ist die angezogene Handbremse.
Denn die Bilder und die Thematik suggerieren etwas Dunkles, Düsteres und auch Brutales. Doch scheinbar wollte man nicht den letzten Schritt machen und hat auf die FSK-Freigabe ab 12 Jahren geschielt. Das fällt vor allem in den Schlachten auf, wenn viele der Morde und Schwerthiebe außerhalb der Leinwand stattfinden. Zwar gibt es hier mal einen gebrochenen Arm und da eine Schwertwunde auf der Brust. Aber trotz der dunklen Inszenierung fühlt sich „Hagen“ meist zahnlos an.
Den Darsteller:innen kann man nur wenig Vorwürfe machen. Gijs Naber funktioniert als „Held“ der Geschichte ziemlich gut, auch wenn das Drehbuch ihm mehr zu tun hätte geben können, als bedrückt durch die Gegend zu schauen. Gerade gegen Jannis Niewöhner ist es aber auch schwer, anzukommen. Sein Siegfried benimmt sich wie ein wilder Hund, ist getrieben, aber gleichzeitig auch ungemein charismatisch. Dagegen bleiben die meisten anderen Figuren leider recht blass.
„Hagen – Im Tal der Nibelungen“: Fazit
Die größten Probleme des Films rühren vermutlich daher, dass diese Version nicht die endgültige Fassung ist. RTL hat bereits angekündigt, die Adaption 2025 als Serien-Event auf den Streaming-Service RTL+ zu bringen. So bleibt nach dem Kino ein positiver, aber etwas unfertiger Eindruck. Ob eine längere Serien-Variante dies ändern kann, werden wir dann im nächsten Jahr erfahren. Die Hoffnung bleibt, dass genügend Menschen den Film sehen – denn Kriemhilds Rache würden wir definitiv weiter verfolgen wollen.