Mit „Der Junge und der Reiher“ kehren Studio Ghibli und Altmeister Hayao Miyazaki mit einem neuen Film zurück. Doch lohnt sich das Anime-Fantasy-Epos?
In der westlichen Welt wird wohl kein Name so sehr mit Anime-Filmen in Verbindung gebracht wie Hayao Miyazaki. Obwohl schon andere wegweisende Werke wie „Akira“ oder „Ghost in the Shell“ ihre Spuren hinterließen, war es erst der Oscar-Gewinn von „Chihiros Reise ins Zauberland“ (neben der Ausstrahlung von „Pokémon“ & Co), der die japanischen Streifen in den hiesigen Gefilden einem größeren Publikum schmackhaft machte. Umso gespannter waren die Fans natürlich, als Regisseur Hayao Miyazaki einige Jahre nach seinem eigentlichen Rücktritt aus der Branche ein neues Werk ankündigte. In Japan wurde „Der Junge und der Reiher“ kaum beworben, es gab lediglich ein Poster und das Release-Datum – trotzdem wurden alleine im heimischen Markt 55 Millionen US-Dollar eingespielt. Schafft es Miyazaki also mit seinen 82 Jahren erneut, die Fans zu begeistern?
„Der Junge und der Reiher“: Darum geht es in dem Anime
Mahito Maki verliert während des Zweiten Weltkrieges seine Mutter. Kurz darauf heiratet sein Vater die jüngere Schwester seiner verstorbenen Frau und zieht mit seinem Sohn zu seiner neuen Ehepartnerin aufs Land. Die Haushälterinnen versuchen, sich um Mahito zu kümmern, doch die Eingewöhnung an das neue Umfeld fällt ihm schwer. Kurze Zeit später fällt ihm ein Graureiher auf, der in der Umgebung sein Unwesen treibt. Überraschenderweise fängt der Vogel plötzlich an zu sprechen: Mahitos Mutter lebe noch, er müsse dem seltsamen Wesen nur folgen. Dies verfrachtet den Jungen in eine Fantasie-Welt, in der Zeit und Raum verschwimmen.
Das „Alice im Wunderland“-Thema mitsamt einer mysteriösen Welt, erinnert sicherlich nicht von ungefähr an „Chihiros Reise ins Zauberland“. Und auch die übrigen Elemente von „Der Junge und der Reiher“ erinnern stark an das restliche Werk von Miyazaki. Da gibt es kleine knuffige Fantasie-Wesen, Krieg hat eine zentrale Bedeutung für alle Beteiligten, die männlichen Figuren sind meist einfacher gestrickt und nicht so spannend wie ihre weiblichen Konter-Parts - mit Ausnahme des Protagonisten, der eine spannende Heldenreise durchlebt. Auch die Mischung aus Angst und Faszination vor dem Unbekannten und vor seltsamen Geschöpfen kommt immer wieder durch, auch wenn diese hier eher in der Form von Vögeln auftreten. Neben dem Reiher gibt es noch Pelikane und Wellensittiche, die man in dieser Form noch nie im Kino gesehen hat. Warum dies so ist, wurde uns im Interview verraten:
„Der Junge und der Reiher“: Mitreißend trotz Verwirrung
Darum ist eine Sache an „Der Junge und der Reiher“ sehr verwunderlich. Während man der grundlegenden Geschichte über die meiste Zeit gut folgen kann, bleibt eine Frage vor allem gegen Ende immer häufiger im Kopf hängen: „Warum?“ Es wird sehr schnell klargemacht, dass der Anime nicht bloß eine nette Fantasy-Geschichte erzählen will, sondern mit Themen wie der Akzeptanz von Verlust hantiert. Doch dann werden noch Weltkriegs-Allegorien, die Bedeutung von Namen, Zeitreisen und ein scheinbar Universen erschaffender Felsbrocken mit in den Topf geworfen, wodurch vor allem die zweite Hälfte einige Fragezeichen hinterlässt. Im Gegensatz zu „Chihiro“ oder den anderen Fantasy-Stoffen wie „Prinzessin Mononoke“ fühlt sich die Welt, in die Mahito gezogen wird, einfach zu überladen, nicht genug ausgestaltet an und dadurch im negativen Sinne seltsam sowie verwirrend an.
Das bedeutet allerdings nicht, dass man sich nicht auf diese Reise begeben sollte. Das Vermischen aus verschiedenen Motiven und scheinbar teils autobiografischen Ereignissen entfaltet eine enorme Sogwirkung. Auch wenn man nicht genau weiß, was genau gerade vonstattengeht, bleibt das Leinwand-Geschehen stets faszinierend. Dafür sorgt auch der anfangs etwas langsamere Aufbau, der einem am Ende aber am Ball bleiben lässt. Bis Mahito zu seinem Abenteuer aufbricht, vergeht einige Zeit, in der er sein neues zu Hause erkundet und das Mysterium fantastisch aufgebaut wird. Hier kann Miyazaki bereits seine größten Stärken ausspielen. Alle Figuren haben auf ihre Art und Weise einen eigenen Charme, es gibt einigen hervorragenden Slapstick-Humor und Joe Hisaishi liefert erneut einen fantastischen Soundtrack. Dass die Optik ebenfalls über jeden Zweifel erhaben ist, sollte den Fans klar sein. Gerade in den Sequenzen, in denen Flammen eine Rolle spielen, fällt es nur schwer, aus dem Staunen wieder herauszukommen.
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„Der Junge und der Reiher“: Fazit
Nachdem Hayao Miyazaki 2013 mit „Wie der Wind sich hebt“ einen etwas untypischen Film für ihn als Abschied vom Filmgeschäft ablieferte, ist „Der Junge und der Reihe“ nun genau das, was sich Fans erhofft haben: Ein fantastisches Abenteuer mit einem spannenden Protagonisten, das manchmal vielleicht etwas zu verkopft ist, aber deswegen nicht minder fasziniert.