Ritter, Wikinger und Samurai verkloppen: Mit "For Honor" möchte Ubisoft Spielern ein noch nie dagewesenes Multiplayer-Erlebnis bieten. Ob uns das anspruchsvolle taktische Gemetzel Spaß gemacht hat, seht ihr in unserem Test.
Es war einmal ein Spieleentwickler mit einer Vorliebe für Langschwerter, dem im Umgang mit seinen scharfen Begleitern eine brillante Spielidee kam: Das System von unterschiedlichen Schwerthaltungen und Verteidigungspositionen müsse sich doch auch wunderbar in einem Videospiel umsetzen lassen?! So wurde die Idee zu Ubisofts mit Spannung erwarteten neuen Multiplayer-Titel "For Honor" geboren, der Spieler in ein fiktives mittelalterliches Szenario eintauchen lässt, in dem sie sich nach Herzenslust in taktische Kämpfe gegen Mitspieler stürzen können.
In der Ruhe liegt die Kraft
Egal, ob man sich ohne Umschweife in die Multiplayer-Gefechte stürzt oder womöglich doch die Kampagne nutzt, um sich mit den Mechanismen des Spiels vertraut zu machen: In beiden Spielmodi gelangt man schnell zur Erkenntnis, dass die herausfordernden Schwert-Duelle in "For Honor" nicht nur Fingerspitzengefühl, sondern jede Menge Ruhe und taktisches Vorgehen erfordern. Der Clou des Spiels liegt in der Xbox- und PS4-Version im rechten Analogstick, der darüber bestimmt, in welcher Position man verteidigt und seinen Gegner angreift.
In drei Positionen (rechts, links, oben) bezieht man als Spieler in den 1-vs-1-Duellen auf dem Schlachfeld also Stellung. Ein Ausweichen im Moment des Gegnerangriffs ist ebenso möglich, wie ein schnelles Parieren durch einen eigenen Angriff. Selbstverständlich bekommt man als Spieler die gegnerischen Haltepositionen visuell angezeigt bzw. kann sie sich durch ein zuschaltbares Element im HUD genau anzeigen lassen. Dazu kommen weitere taktische Elemente wie die Ausdauer-Anzeige oder Landschaftselemente, die die aufregenden Duelle noch weiter beeinflussen können.
Wenn der Wikinger auf den Samurai trifft
Neben den ausgefeilten Kampfmechanismen sorgen natürlich die drei Hauptklassen (Samurai, Wikinger, Ritter) sowie vor allem ihre jeweiligen Subklassen für jede Menge Abwechslung auf dem Schlachtfeld. Während die Eroberer, Kriegsfürsten bzw. Shugoki als echte „Tanks“ ihrer Truppe jede Menge einstecken und austeilen können, dementsprechend aber äußerst langsam und anfällig sind, bearbeiten die Meuchler ihre Gegner wieselflink mit schnellen Kombos – wenn es jedoch ums Verteidigen geht, suchen sie lieber schnell das Weite.
Die jeweiligen Stärken und Schwächen aller Subklassen sollten sich passionierte Spieler tatsächlich so gut es geht zu Gemüte führen, wenn es besonders in den Multiplayer-Duellen "Schlag auf Schlag" kommt und nur wenig Zeit bleibt, die Gepflogenheiten seines Gegenübers zu studieren. Trotz des eher gemächlichen Tempos, das für Action-Spiele nicht unbedingt typisch ist, bleiben die Duelle äußerst aufregend und abwechslungsreich, was natürlich auch an den jeweiligen Konkurrenten selbst liegt. Etwas übermächtig wirkt derzeit noch der "Guardbreak", der die Abwehr durchbricht und schwierig zu verteidigen ist. Er soll in einem kommenden Patch jedoch etwas "entkräftet" werden.
Kampagne und Multiplayer bei "For Honor"
Herzstück von "For Honor" sind natürlich die unterschiedlichen Spielmodi, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Natur auch ganz verschiedene Spielertypen ansprechen. Während die zwei Deathmatch-Variationen durchaus zum fröhlichen und unbeschwerten Draufkloppen einladen, sind bereits die Duelle 1-vs-1 bzw. 2-vs-2 deutlich taktischer geprägt – und machen dementsprechend auch viel mehr Spaß.
Der "Gebietseroberungsmodus" ist jedoch das kleine Highlight im "For Honor"-Universum: Hier treten zwei Teams gegeneinander an und müssen drei Gebiete solange halten bis ein Gefecht entschieden ist. Die Zusammenstellung der Teams spielt eine primäre Rolle, denn um Schlachten zu schlagen und Gebiete einzunehmen gibt es jeweils starke Charakterklassen, die sich sinnvoll zu einem Ganzen ergänzen. Ärgerlich ist, dass Ubisoft den Netzcode noch nicht perfekt im Griff hat: Kleinere Verbindungsabbrüche und Verzögerungen ärgern besonders in den Eins-gegen-Eins Duellen. Ein paar stärker abweichende Karten dürften es dann auch gerne sein, denn das Geschehene gleich sich leider recht häufig.
Es mag löblich sein, dass Ubisoft eine Singleplayer-Kampagne in einen "Always Online" Multiplayer-Titel integriert, doch die wirkt eher wie ein langes Tutorial, das sich irgendwann abnutzt, als eine ernsthafte Multiplayer-Alternative. Gerade Titel wie "Battlefield 1" haben da wesentlich besser gezeigt, wie man Multiplayer und Singleplayer geschickt miteinander verbindet.
Stimmige und schöne Präsentation
Bis auf die Probleme mit dem Netzcode, die hoffentlich mit den kommenden Patches behoben werden, überzeugt „For Honor“ ansonsten mit einer überwiegend tollen Präsentation. Besonders die Animationen der Figuren, ihre detaillierten Charaktermodelle und die Bewegungsdarstellung werden großartig inszeniert. Texturen und Landschaftsgrafik sind ebenso stimmig, wie die brachiale und vereinnahmende Soundkulisse, die das „geregelte“ Chaos auf dem Schlachtfeld perfekt auffängt.
Fazit
"For Honor" zelebriert das feine Chaos auf dem Schlachtfeld mit einem Kampfsystem, das nicht davor zurückschreckt statt auf Geschwindigkeit auf taktische Finessen zu setzen. Die unberechenbaren Kampf-Geplänkel sind nicht nur eine graphische Augenweide, sondern motivieren vor allem in den Multiplayer-Modi mit ihrer Intensität, Inszenierung und Vielschichtigkeit immer wieder aufs Neue. Schade, dass Verbindungsabbrüche und kleinere Verzögerungen noch immer eine Rolle spielen, hoffentlich bald aber der Vergangenheit angehören. Der gut gemeinte Singleplayer-Part ist jedoch nicht mehr als ein (über-)langes Tutorial, das es nicht unbedingt gebraucht hätte.