Mit „Gran Turismo“ adaptiert Neill Blomkamp eine erstaunlich mitreißende Geschichte aus dem Kosmos des Videospielklassikers, doch verpasst es, sich aus dem Windschatten einer Dauer-Werbeeinblendung zu lösen.
Es wirkt vermutlich wie der heimliche Traum eines jeden Gamers: Was wäre, wenn mich meine Gaming-Skills wirklich dazu befördern, im echten Leben bei den Besten der Besten mitzumischen? Ob ich als Gamepad-Held, der in „The Last of Us” quasi jeden Zombie und Widersacher mit Leichtigkeit ins „endgültige“ Jenseits befördere, bei einer echten Zombie-Apokalypse wirklich so leichtes Spiel hätte, darf zwar angezweifelt werden. Doch bei Jann Mardenborough wurde der virtuelle Traum tatsächlich zur Wirklichkeit: Der gebürtige Brite ist mittlerweile echter Rennfahrer und das nur, weil er sich als Bester gegen 90.000 Zocker:innen durchsetzen konnte und in die ins Leben gerufene GT Academy aufgenommen wurde.
Gran Turismo: Die wahre Hintergrundgeschichte der Videospieladaption
Genau diese Geschichte setzen nun Action-Regisseur Neill Blomkamp (bekannt durch "District 9" und "Elysium") und sein Autorenteam in „Gran Turismo“ um. Ausgangspunkt für die Geschichte ist die Idee von Nissan-Manager Danny Moore (Orlando Bloom), der den virtuellen Rennsimulationsfans tatsächlich die Möglichkeit geben will, in ein echtes Rennauto zu steigen, wenn sie sich gegen die virtuelle Konkurrenz durchsetzen: Für den jungen Jann (Archie Madekwe) ist das quasi wie ein Weckruf, schließlich verbringt er fast jede freie Minute mit „Gran Turismo“ und kennt jede Kurve und jeden Curb der Rennstrecken weltweit auswendig. Besonders sein Vater Steve (Djimon Hounsou), selbst ehemaliger Profi-Fußballer, sieht Janns Passion für den virtuellen Adrenalinkick sehr kritisch.
Doch Jann will es nicht nur sich selbst, sondern eben auch seinem Umfeld beweisen und sich in der knallharten GT Academy durchsetzen. Dort bekommt er es mit dem ehemaligen Rennfahrer Jack Salter (David Harbour) zu tun, der verdammt wenig davon hält, dass PlayStation-Kids plötzlich in extrem schnelle Rennboliden gesetzt werden und sich und ihre Konkurrent:innen damit gefährden. Tatsächlich schafft es Jann schon bald auf die Pole Position und startet in seinem ersten offiziellen Rennen als Rennfahrer durch, doch wird schon bald mit den Schattenseiten des Renn-Zyklus konfrontiert…
Gran Turismo: Renn-Action und ein kongeniales Duo
Dass der Spagat zwischen Videospieladaption und Biografie manchmal verdammt schwierig ist, wird vor allem zu Beginn des Films deutlich: In der ersten halben Stunde fühlt sich „Gran Turismo“ fast wie ein Behind-the-Scenes-Werbeclip an, der die authentische und brillante Rennspielsimulation von Erfinder Kazunori Yamauchi in höchsten Tönen preist und dabei zwischenzeitlich vergisst, dass hier ein Kinofilm auf die Zuschauer:innen wartet, für den sie auch einen nicht zu kleinen Eintrittspreis bezahlt haben. Die PlayStation-Werbeshow nimmt im Verlauf des Films aber glücklicherweise wieder auf der Rückbank Platz, so dass vor allem Regisseur Neill Blomkamp in den wirklich stark inszenierten Rennszenen seine Skills ausspielen kann.
Mit cleveren visuellen Spielereien, wie bspw. der kultigen Ideal-Fahrlinie sowie der Transformation des Gaming-Setups von Archie in einen Rennwagen setzt Blomkamp immer wieder gelungene visuelle Kniffs ein, die die Rennszenen abwechslungsreich gestalten. Das Herz und die Seele lässt der Film jedoch nicht nur auf der Rennstrecke, sondern darf sich auch über ein richtig starkes Darsteller-Duo freuen: Newcomer Archie Madekwe und „Stranger Things“-Liebling David Harbour verleihen dem oftmals eindimensionalen Treiben neben der Asphalt-Action deutlich mehr Tiefe und Natürlichkeit als gedacht.
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Gran Turismo: Zwischen Schablonenhaftigkeit und fragwürdigen Entscheidungen
Trotzdem kämpft „Gran Turismo“ trotz aller Kurzweiligkeit mit einigen Schwachstellen bzw. problematischen Entscheidungen: Beinahe alle Konflikte im Film wirken extrem aufgelegt und künstlich genauso wie viele Nebenfiguren, die schablonenhaft integriert werden, um Janns Aufstieg und Fall mit ein paar Zwischentönen zu begleiten. Zwar hält sich der Film weitgehend an reale Ereignisse im Leben von Rennfahrer Jann Mardenborough, doch setzt ausgerechnet den traumatischen Tod eines Zuschauers nach einem schweren Unfall an der Nordschleife (der allerdings auch schon im Trailer zu sehen ist und deshalb auch hier thematisiert wird) als Wendepunkt in der Karriere des Rennfahr-Profis ein, was allerdings nicht der zeitlichen Abfolge der Ereignisse im wahren Leben des Rennfahrers entspricht.
Dass die Verantwortlichen ausgerechnet dieses furchtbare Ereignis als „Plot-Twist“ gewählt haben, um die restliche Dramaturgie des Films zu rechtfertigen, ist zumindest fragwürdig, wenn nicht sogar „geschmacklos“. Trotzdem ist „Gran Turismo“ im Großen und Ganzen sehenswert, weil Janns Geschichte tatsächlich unter die Haut geht, auch wenn wir auf die Werbeveranstaltung und die schiefen Töne drumherum gerne verzichtet hätten.
"Gran Turismo" startet am 10. August in den deutschen Kinos!
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