Mit „The Dead Don't Hurt“ liefert Viggo Mortensen eine starke zweite Regiearbeit ab, die an manchen Stellen noch mehr Feinschliff vertragen hätte. Mehr dazu in unserer Kritik.
Der Schauspieler Viggo Mortensen wurde als Aragorn in der „Herr der Ringe“-Trilogie weltberühmt. Doch von dieser Rolle hat er sich längst gelöst. Seit dem Fantasy-Epos war er bereits drei Mal als bester Hauptdarsteller für einen Oscar nominiert, gewonnen hat er den Goldjungen bisher aber noch nicht. Inzwischen hat dänisch-US-amerikanische Schauspieler aber auch Gefallen am Regie-Leben gefunden. Nach seinem Debüt-Film „Falling“ aus 2020 legt er nun mit „The Dead Don't Hurt“ scheinbar ein Herzensprojekt nach – denn neben der Inszenierung spielt er auch die männliche Hauptrolle, schrieb das Drehbuch und komponierte die Musik für das Western-Drama.
„The Dead Don't Hurt“: Darum geht es in dem Western-Drama
Der Soundtrack wird in erster Linie von Geigen getragen, selten kommen einzelne Klaviertöne oder weitere Instrumente dazu. Die Melodien sind nicht unbedingt eingängig, dennoch transportieren sie genau das Gefühl, welches sich durch den Film zieht: Melancholie. Wer bei Western an Revolverhelden und spannende Schusswechsel denkt, ist hier im falschen Film. Stattdessen geht es bei der Geschichte um den dänischen Einwanderer Holger Olsen (Mortensen). Dieser verliebt sich den 1860er-Jahren in die französische Kanadierin Vivienne Le Coudy (Vicky Krieps). Doch ihrer Beziehung steht unter anderem der amerikanische Bürgerkrieg im Weg.
Bei „The Dead Don't Hurt“ handelt es sich um eine romantische Geschichte, weswegen es schade ist, dass zwischen den beiden Hauptfiguren keine richtige Chemie aufkommt. Die Szenen, in denen Mortensen und Krieps zusammen agieren, haben eine gewisse Distanz, sodass man ihnen die große Liebe nie zu einhundert Prozent abkauft. Was anfangs als Hindernis erscheint, erweist sich im Verlauf der Geschichte als cleverer Schachzug, um bestimmte Emotionen besser zu vermitteln. Außerdem legt die Story einen eindeutigen Fokus auf die weibliche Hauptfigur.
Die Schwierigkeiten, die Vivienne im Laufe der Handlung durchlebt, fühlen sich trotz des historischen Settings zeitgemäß an. Im Interview mit uns verriet Viggo Mortensen, warum er trotzdem einen Western inszenierte: „Es ist eine Geschichte über eine gewöhnliche Frau, die sehr unabhängig in ihrem Denken ist. Und ich dachte, dass es interessanter wäre, sie im 19. Jahrhundert anzusiedeln, weil es für sie schwieriger und komplizierter sein würde. Das ist eine Gesellschaft, die von einigen wenigen mächtigen, korrupten Männern beherrscht wird, die Gewalt anwenden, um ihre Ziele zu erreichen. Und das würde das Leben für sie nur noch komplizierter und schwieriger machen.“ Da sich der 65-Jährige in dem Genre bereits gut auskennt, hielt er die Wahl nur für logisch.
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„The Dead Don't Hurt“: Deshalb wird der Film nicht-linear erzählt
Vicky Krieps hat als Vivienne die Sympathien auf ihrer Seite. Ihre Reise, sich in der Gemeinschaft eines kleinen Ortes einen Platz unabhängig von ihrem Partner zu schaffen, nimmt vor allem dank ihres Schauspiels mit. Zwar streut Mortensen einige ätherische Bilder aus den Gedankenwelten seiner Figuren zu viel ein, aber trotzdem schaut man ihnen gerne zu – und fiebert mit, wenn etwas Schlimmes passiert. Das liegt auch an einer Erzähltechnik, die nicht alle Zuschauer:innen sofort durchschauen werden, denn der Film ist nicht chronologisch. Stattdessen beginnt die Geschichte in den ersten Szenen mit Ereignissen, die zeitlich eigentlich erst gegen Ende passieren. So springt die Handlung zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her. Das desorientiert manchmal, da es auch nicht allzu viele Indikatoren gibt, wann nun welche Szene genau spielt. Aber es hat einen spannenden Effekt.
Denn durch das Wissen, wie es um die Figuren zu späteren Zeitpunkten bestellt ist, entfalten die Szenen mit ihnen eine ganz andere emotionale Reichweite. In dieser Form hatte Mortensen die Geschichte von vornherein im Kopf und so wurde der Film auch gedreht, aber in der Postproduktion wurde auch mit einer „chronologischen Reihenfolge experimentiert, um zu sehen, ob es sich besser anfühlt.“ Aber mit dem Wissen zum Beispiel, dass jemand stirbt, sähe man „anders auf ihr Leben. Die Beziehungen der Menschen untereinander haben andere Bedeutungen. Ich mag es einfach, dass man als Zuschauer den Figuren ein bisschen voraus ist und mehr weiß als sie. Das ist etwas, das in der Literatur, in Romanen, ziemlich häufig vorkommt, aber auch auf dem Bildschirm sind die Leute, vor allem bei Fernsehserien, mehr daran gewöhnt, nicht-lineare Strukturen zu sehen.“
„The Dead Don't Hurt“: Fazit
Zusammen mit dem eher gemächlichen Tempo ist „The Dead Don't Hurt“ ein Film geworden, der nicht jedem gefallen wird. Es handelt sich nicht um einen hochkomplexen Arthouse-Film mit verschiedenen Deutungsebenen, trotzdem muss man sich auf die ungewöhnlichen Entscheidungen von Mortensen einlassen. Wer das kann, bekommt einen wunderschön gefilmten Western spendiert, der trotz diverser Schwächen eine herzergreifende Geschichte erzählt, die durchaus nachhallt. Das bemerkte der Regisseur auch während der Promo-Tour immer wieder, wenn nach dem Film „noch alle sitzen und wir selbst in einem 45-minütigen Q&A nicht alle Fragen unterbekommen.“ Er habe jedes Mal etwas Neues gelernt – was ihm sicherlich bei seiner nächsten Regiearbeit helfen wird. Auf die sind wir nämlich jetzt noch mal deutlich gespannter.
„The Dead Don't Hurt“ startet am 08. August in den deutschen Kinos.