„Adolescence“ auf Netflix ist nichts für schwache Nerven! Doch wie viel Wahrheit steckt hinter der Geschichte über Jamie Miller? Und was genau bedeutet das Ende?

Seit dem 13. März 2025 gibt es eine neue Miniserie auf Netflix: den Thriller „Adolescence“ (was übersetzt „Jugend“ oder „Pubertät“ bedeutet). Gedreht wurde sie in Pontefract in der Stadt Wakefield in West Yorkshire, England. Erste Besonderheit der Serie aus der Feder von Graham und Jack Thorne: der nicht vorhandene Schnitt. Regisseur Barantini entschied sich für eine Plansequenz, die sich in Gänze über die jeweiligen Folgen erstreckt. Heißt: Jede Episode wurde an einem Stück gedreht. „Im Grunde bedeutet das, dass wir auf die Aufnahmetaste der Kamera drücken und erst ganz am Ende der Stunde auf Stopp“, erklärt es Barantini selbst gegenüber Netflix. Bedeutet auch: Wegen des One-Shots besteht kein Raum für Fehler. Die Darstellerinnen und Darsteller mussten es beim ersten Versuch hinbekommen.
„Adolescence“-Cast: Wer spielt wen?
- Owen Cooper als des Mordes verdächtigter Jamie Miller
- Stephen Graham, Mitschöpfer von „Adolescence“, als Jamies Vater Eddie Miller
- Christine Tremarco als Jamies Mutter Manda Miller
- Amélie Pease als Jamies Schwester Lisa Miller
- Ashley Walters als Detective Inspector Luke Bascombe
- Faye Marsay als dessen Kollegin DS Misha Frank
- Erin Doherty als Psychologin Briony Ariston
Handlung des One-Shot-Thrillers
Direkt beim ersten Versuch überzeugend zu schauspielern und nicht aus der Rolle zu fallen, ist schon so herausfordernd genug. Doch das Thema der Serie erhöhte den Druck zusätzlich. „Adolescence“ erzählt nämlich die Geschichte des 13-jährigen Jamie Miller, der eines Morgens von Polizeibeamten aus seinem Bett gerissen wird, weil ihm ein Mord zur Last gelegt wird. Bis die Zuschauer erfahren, dass es sich bei seinem vermeintlichen Opfer um eine Mitschülerin handelt, begleiten sie Jamie und seine aufgelöste Familie erst einmal auf die Polizeiwache, wo alle Beteiligten ein echtes Martyrium durchleben. „Wir wollten, dass Sie sich diese Familie ansehen und denken: 'Mein Gott. Das könnte uns auch passieren!' Und was hier passiert, ist der schlimmste Albtraum einer normalen Familie“, so Eddie-Miller-Darsteller und Mitschöpfer Stephen Graham gegenüber „Tudum“.
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Ist Jamie wirklich schuldig? Und wenn ja, wie konnte es dann dazu kommen, dass ein Jugendlicher eine Mitschülerin mit sieben Messerstichen brutal ermordet?
Erzählt „Adolescence“ eine wahre Geschichte?
Und wie wahr ist das, was uns Netflix da zeigt? Auf einer echten Geschichte basiert die neue Miniserie zwar nicht direkt – ganz aus der Luft gegriffen ist die Thematik aber nicht. Die Idee sei auf Basis echter Fernsehberichte entstanden, die Mitschöpfer Graham in den Nachrichten gesehen habe, berichtet er. In der echten News-Story sei es ebenfalls um Jungen gegangen, die in Messerattacken verwickelt waren. „Es gab einen Vorfall, bei dem ein kleiner Junge [angeblich] ein Mädchen erstochen hat“, so Graham gegenüber „Tudum“. Die Sache habe ihn so sehr schockiert, dass sie ihn nicht mehr losließ. „Ich dachte: 'Was ist hier los? Was passiert in der Gesellschaft, dass ein Junge ein Mädchen ersticht? Was ist hier der Auslöser?' Und dann passierte es wieder, und es passierte wieder, und es passierte wieder.“ Er habe einfach hinterfragen und Licht darauf werfen wollen, wie es zu einer solchen Tat kommen könne.
Einen Teaser-Trailer bzw. eine komplette Szene aus „Adolescence“ kannst du dir hier anschauen:
Zentrales Thema sei dabei auch „männliche Wut“ gewesen. Thorne, Graham und Barantini, sie alle hätten im Laufe der Arbeit an „Adolescence“ immer mehr über ihre eigenen Rollen als Männer, Väter, Partner und Freunde nachgedacht und begonnen, ihre Identität zu hinterfragen. „Das ist eine Reise, die ich als Schriftsteller noch nie gemacht habe, und sie hat mich erschreckt und erregt, weil ich das Gefühl hatte, dass wir etwas zu sagen haben“, so Throne ganz offen.
Das erklärt wohl auch das Ende der vierten und letzten Folge der Miniserie, das einen als Zuschauer:in tief getroffen und verzweifelt vor dem Bildschirm zurücklässt!
Achtung, es folgen Spoiler zum Ausgang der Netflix-Serie!
„Adolescence“-Ende erklärt
Schnell wird dem „Adolescence“-Publikum klar, dass Jamie tatsächlich schuldig ist. Nur er selbst sieht das lange Zeit anders. Videobeweis hin oder her, der Schüler behauptet bis zum bitteren Ende, Katie nichts angetan zu haben und unschuldig zu sein. Erst kurz vor Schluss kommt es zu einer plötzlichen Wendung, als er seinen Vater aus der Haft anruft, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Nicht wissend, dass seine Mutter und seine Schwester ebenfalls mithören, eröffnet er Eddie Miller, seine Aussage ändern und auf „schuldig“ plädieren zu wollen. Doch warum eigentlich?
Wieso plädiert Jamie plötzlich auf „schuldig“?
Der Grund für den Sinneswandel ist Kinderpsychologin Briony Ariston. In Episode 3 gelingt es ihr, hinter Jamie's kindliche Fassade zu blicken. Erniedrigungen in der Schule sowie durch Katie selbst, gesellschaftlich geprägter Frauenhass, ein Gefühl der Machtlosigkeit, die Unfähigkeit, über die eigenen Gefühle zu sprechen, ein fehlgeleitetes Männlichkeitsbild – all das sind Mosaiksteine, die dabei helfen, zu erklären, warum Jamie die Tat begangen hat. Auch er begreift letztlich, dass er nicht bloß Opfer, sondern vor allem auch Täter ist.

Wofür entschuldigt sich Papa Eddie?
Nachdem sich Jamies Vater Eddie und seine Mutter Manda am Ende der letzten Folge in einem emotionalen Gespräch mit ihrer eigenen Schuld auseinandersetzen, kann sich Eddie zum ersten Mal seit Monaten dazu durchringen, das Kinderzimmer seines Sohnes zu betreten. Dort kommt es zu einer Szene, die viel über Thornes, Grahams und Barantinis Prozess der Reflexion über die eigene Männlichkeit verrät: Jamies Vater bricht auf dem Bett seines Kindes in Tränen aus. Nachdem er sich wieder gefangen hat, deckt er liebevoll den Teddybär seines Sohnes zu – und entschuldigt sich dann bei Jamie, dass er ihm kein besserer Vater sein konnte.
Was er damit meint, ist ein aufmerksamerer, liebevollerer Vater, dem es gelingt, seinem Sohn ein weniger schädliches Konzept von Männlichkeit zu vermitteln. Die unmissverständliche Botschaft: Vor allem Männer haben eine Mitschuld daran, wenn andere Männer Frauen Gewalt antun. Doch natürlich tragen nicht nur Väter, Kumpels und männliche Vorbilder die Schuld an Femiziden und gewalttätigen Übergriffen, auch die Gesellschaft als Ganze schafft einen Nährboden dafür.