Kommentar: Bei der diesjährigen Staffel von „Are You the One – Realitystars in Love“ ist ein sogenannter Zickenkrieg ausgebrochen. Doch warum müssen eigentlich die Frauen für das Verhalten der Männer büßen?
Halbzeit bei „Are You the One“-VIP! Die aktuelle Staffel kocht sich langsam aber sicher zum Höhepunkt, die Kandidat:innen überschreiten jegliche Grenzen. Neben heißen Flirts und wilden Knutschereien kommt es, wie der Trailer verspricht, zwischen dem ein oder anderen Paar auch zum Sex. Andere setzten wiederum knallharte Grenzen – jedoch nicht für sich selbst.
„Are You the One“: So entstand das Dreieck um Jenny, Linda und Lukas
Denn unter anderem hat Kandidatin Jennifer Iglesias sich ziemlich in ihren Mitstreiter Lukas Baltruschat verguckt und möchte ihr Revier markieren. Blöd nur, dass bei „Are You the One“ jeder jeden kennenlernen muss, um sein „Perfect Match“ zu finden und das Spiel am Ende zu gewinnen. Doch Jenny hat eine Strategie: Da Lukas in der Vergangenheit besonders Ex-GNTM-Zicke Linda Braunberger nahekam, ist sie tabu. Mit allen anderen Mädels darf er tagsüber (fast) alles machen, wenn die beiden nachts wieder nebeneinander einschlafen. Lukas hält diese Regeln zwar ein, flirtet aber, was das Zeug hält und steckt seine Zunge auch gerne in fremde Münder.
Dass der 30-Jährige sich damit in den Augen seiner Liebsten auf dünnem Eis bewegt und die Grenze teilweise überschreitet, dürfte ihm bewusst sein. Aber anstatt ihn zur Rede zu stellen, greift Jenny lieber die Single-Damen an, mit denen Lukas sich vergnügt. Diese verurteilt und beleidigt sie dann für ihre Taten. Bei einer „Matching Night“ eskaliert es sogar so schlimm, dass sie Linda vor versammelter Mannschaft zum Weinen bringt, und Moderatorin Sophia Thomalla eingreifen muss. Zuschauer:innen fragen sich nun: Warum reagiert Jenny so krass?
„Are You the One“: Der wahre Grund für Jennys Verhalten
Darüber, wer im Recht ist und wer nicht, lässt sich streiten. Fest steht: Jenny verurteilt hier andere Frauen, die einfach nur das Spiel spielen, für das Verhalten von Lukas, welches sie als falsch einstuft. Doch warum tut sie das? In der Biologie wird bei einem Aggressionsverhalten zwischen zwei Pferden von der sogenannten „Stutenbissigkeit“ gesprochen. Oftmals findet der Begriff, wenn auch abwertend gemeint, ebenfalls Verwendung, wenn es um zwei Frauen geht – ähnlich wie beim „Hahnenkampf“ unter Männern. In der Vergangenheit ging es bei einem solchen Konkurrenzkampf zwischen zwei weiblich gelesenen Personen häufig um Bildungschancen, Arbeitsplätze oder soziale Anerkennung.
Aber auch die Ehe und Partnerschaften im Allgemeinen können aus besten Freundinnen eiskalte Konkurrentinnen machen. Gesprochen wird, laut Feminismus-Coach Johanna Fröhlich Zapata, vom sogenannten „Jane Austen Moment“: Im Roman „Stolz und Vorurteil“ der britischen Autorin etwa, wo zwischen den Bennett-Schwestern auf einmal ein Wettbewerb ausbricht, als die Herren Darcy und Bingley plötzlich mit einer Kutsche vorfahren. Wer von ihnen schafft es, einen der hoch angesehenen Herren für sich zu gewinnen? Dieses Muster, welches schon seit hunderten von Jahren existiert oder zumindest in Filmen und Büchern so dargestellt wird, lässt sich heutzutage immer noch sehr gut in Dating-Formaten wie eben „Are You the One“ erkennen. Es geht immer um zwei oder mehrere Frauen, die um einen Mann konkurrieren – noch extremer zu sehen, ist dies natürlich beim „Bachelor“, wo es ja nur einen einzigen männlichen Protagonisten gibt.
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Warum „Are You the One” von „Girl Hate“ lebt
Die US-amerikanische Bloggerin Tavi Gevinson etablierte im Zusammenhang mit diesem Konkurrenzverhalten den Begriff „Girl Hate“: Hier geht es darum, als weiblich gelesene Person eine andere Frau als jemanden wahrzunehmen, der Rollenbilder und männliche Erwartungen besser erfüllt als man selbst. Durch diese Denkweise verurteilen wir uns selbst und empfinden der „Konkurrentin“ gegenüber Neid und Abneigung. Am Beispiel von Jenny und Linda ist dies sehr gut zu erkennen: Jenny ist offenbar neidisch auf Linda, da sie bei Lukas scheinbar ein ähnliches Interesse weckt wie sie selbst. Doch tief im Inneren ist sie eigentlich nur wütend auf sich selbst, da sie Lukas nicht komplett für sich alleine haben kann. Sie vergleicht ihre eigene Person mit der von Linda, um zu erkennen, warum sie bei ihm genauso gut, oder vielleicht sogar besser ankommt.
Dieses Verhalten ist das Resultat unser patriarchalen Gesellschaft. Wir lernen von klein auf, andere Mädchen und Frauen, die wir als „besser“ wahrnehmen als uns selbst, abzulehnen. Dieser Konkurrenzgedanke sorgt nicht nur für Streit untereinander, sondern auch für die Entwicklung herber Selbstzweifel. Männer hingegen profitieren häufig sogar von Auseinandersetzungen zwischen Frauen: Da wir um sie konkurrieren, aber nicht mit ihnen, erleichtern wir ihnen den sozialen Aufstieg - und das Leben im Allgemeinen.
Verbale Gewalt ist nicht zu unterschätzen
Um sich vor körperlicher Gewalt zu schützen, nutzen Frauen oft nicht etwa Prügeleien, sondern Worte und ihre Mimik, um eine Form der Gewalt auszuüben. Sobald Jenny Lindas wunden Punkt gefunden hatte, begann sie zu sticheln, bis die Tränen ihrer Mistreiterin flossen. An diesem Beispiel erkennen wir, wie gut diese passiv-aggressiven Methoden funktionieren. Dass Jenny und Linda in diesem Leben keine Freundinnen mehr werden, ist klar. Trotzdem zeigt Letztere im Nachhinein sogar etwas Verständnis für die einstige „Love Island“-Gewinnerin. In einem Interview mit Promiflash teilt sie ihre Gedanken: „Ich denke, dass Jenny zu dem Zeitpunkt schon Gefühle für Lukas hatte und die Situation vielleicht daher nicht neutral einschätzen konnte“.
„Are You the One“: Ein Lösungsansatz für das Problem von Jenny und Linda
Einen Lösungsansatz für dieses Problem entwickelte die US-amerikanische Autorin bell hooks: In dem Konzept „Sisterhood“ geht es um das Bewusstsein, dass wir alle, je nach sozialer Klasse, Herkunft und Hautfarbe, auf die verschiedensten Arten und Weisen von gesellschaftlicher Diskriminierung betroffen sind. Wir alle können unsere Erfahrungswerte miteinander teilen, diese anerkennen und respektieren und daran arbeiten, marginalisierte Gesellschaftsgruppen- und Strukturen abzuschaffen.
Das könnte sich in Dating-Formaten demnächst ändern
Natürlich leben Datingshows wie „Are You the One” von diesen überdramatisierten Momenten. Sie machen die Formate (in den Augen vieler) nicht nur unterhaltsamer, sondern auch erfolgreicher. Nichtsdestotrotz ist das ständige Gezanke um Männer und das gegenseitige Heruntermachen unter den Kandidatinnen auf Dauer ermüdend. Gefühlt wird nur noch gezankt und geschrien, was das Zeug hält. Die Männer, die in den meisten Fällen Mittelpunkt der Diskussion sind, sitzen derweilen schweigend daneben und lassen das Ganze über sich ergehen. Denn sie wissen eben genau, dass sie so oder so mit ihrem Benehmen davonkommen.
Ein Gedanke: Statt sofort die andere Frau zu attackieren, wäre es ab und zu doch mal schön, auch die männlichen Kandidaten für ihre Taten zur Rechenschaft zu ziehen! Ähnlich wie Nadja, als sie Nikola an den Pranger stellte – nur vielleicht mit etwas mehr konstruktiver Kritik. Die Frage ist schlussendlich doch, ob sich überhaupt irgendwer falsch verhalten hat. Schließlich spielen Linda und Lukas weiterhin nur das Spiel, während Jenny sich wahrscheinlich schon etwas zu sehr in das Objekt ihrer Begierde verliebt hat, was ebenso verständlich ist. Liegt nun also einer der drei im Unrecht? Das ist Ansichtssache - mal schauen, wie es in den nächsten Folgen weitergeht.