Der Skandal hat schon längst die Diskussion über das Spiel gestoppt: "Cyberpunk 2077" ist erschienen und die Spielewelt wird nicht mehr dieselbe sein, jedoch aus anderen Gründen, als es sich CD Projekt Red und die meisten Gamer wohl erhofft haben. Warum wir euch aktuell nicht empfehlen das Spiel auf PS4, PS5, Xbox One und Xbox Series X zu zocken, lest ihr in unserem Test.
Wer "Cyberpunk 2077" aktuell in Sonys eigenem PlayStation Store sucht, wird nicht fündig. Es ist fast schon wie ein letzter schlechter Scherz in einem sowieso schon mehr als durchwachsenen Jahr 2020, das ausgerechnet das wohl meistgehypte Spiel der jüngeren Videospielgeschichte vom Konsolenriesen einfach kurzerhand aus dem Digital-Store geworfen wurde, weil es den Maßstäben von Sony PlayStation und dessen digitaler Plattform nicht "entsprochen hat". Der große Hype, der vor knapp einem Monat noch einmal richtig Fahrt aufnahm, ist mittlerweile Frust und Häme über das Desaster gewichen, was vor allem dem katastrophalen Konsolenstart des Sci-Fi-Rollenspiels geschuldet ist. Und die massiven Auswirkungen, die die verkorkste Konsolenfassung von Entwickler CD Projekt Red auch auf zukünftige Videospiel-Großprojekte haben könnte, sind aktuell noch gar nicht richtig absehbar.
Die Konsolenfassungen zerstören die Immersion
Um es gleich klarzustellen: "Cyberpunk 2077" entspricht auf Konsole überhaupt nicht dem, was bspw. PC-SpielerInnen mit einem starken Gaming-PC in Night City erleben können. Und das bezieht sich tatsächlich aktuell auf ausnahmslos alle Konsolenfassungen: Zwar kommt das Spiel mit Patch 1.05 langsam auch auf den Standardkonsolen aka PlayStation 4 und Xbox One einem "spielbaren Status" näher, trotzdem fällt die Framerate immer noch häufig unter die anvisierten 30 Bilder pro Sekunde. Doch auch auf den Next-Gen-Konsolen bleibt "Cyberpunk 2077" deutlich hinter den Erwartungen zurück: Wir haben knapp 50 Spielstunden in die PlayStation 5-Fassung investiert, die sich dank 60 FPS zwar relativ gut spielen lässt, aber visuell teilweise extrem bieder und insgesamt dennoch enttäuschend ausfällt. Neben einer generellen Unschärfe wirkt es so, als ob in der PlayStation-Fassung Night City in einen Corona-Lockdown gesteckt wurde. Zumindest ist es nur so zu erklären, das in den meisten Stadtteilen der Megalopolis quasi tote Hose herrscht. Kaum NPCs und fast durchgängig leere Straßen prägen das ansonsten beeindruckende Stadtbild der Mega-City.
Auf Xbox Series X sieht das Spiel tatsächlich ein gutes Stück besser und deutlich belebter aus, was auch daran liegt, dass die Series X im Gegensatz zur PS5 einen Quality Mode an Bord hat, der die Auflösung deutlich anhebt, das Spiel dann allerdings auf 30 FPS begrenzt. Insgesamt bietet die Xbox Series X damit die beste Konsolenfassung des Spiels und ist meiner Meinung nach trotzdem nur äußerst bedingt empfehlenswert. Warum? Weil das Spiel sowohl auf PS5 als auch auf Xbox Series X immer noch teilweise unter gewaltigen Bugs leidet, die bspw. einen Quest-Abschluss ohne Neustart unmöglich machen oder auf der PlayStation 5 regelmäßig für einen harten Crash sorgten. Ich habe in der PlayStation 4 und PlayStation 4 Pro in mehreren Jahren maximal drei große Crashes erlebt – bei „Cyberpunk 2077“ ist mir das Spiel hingegen in den ersten fünf Spielstunden schon drei Mal abgestürzt, sodass ich mit Error-Meldung im PS5 UI gelandet bin und das Spiel neustarten musste.
Cyberpunk 2077: Der (Konsolen-)Traum von Night City
Ich bin natürlich kein Träumer und Verblendeter: Das CD Projekt Red für "Cyberpunk 2077" deutliche technische Kompromisse eingehen müsste und dabei nicht einmal annähernd die technische Qualität der PC-High End-Konfiguration erreichen würde, war natürlich jedem im Vorfeld klipp und klar. Doch neben der furchtbaren Performance auf den Standard-Konsolen, den Bugs & Glitches leidet vor allem "Night City" selbst an der biederen Präsentation. Als Sci-Fi- und "Blade Runner“-Fan ist das Setting von "Cyberpunk 2077" auf dem Papier wie mein wahr gewordener Spiele-Traum: Eine düstere Zukunftsdystopie in einer gewaltigen Megacity, voller diverser Viertel, Bewohner und Einflüsse. Vertikalität, Detailreichtum, Environmental Storytelling – alles ist da!
Doch die eigentliche Immersion verfliegt sofort, als ich beim Cruisen durch Night City durch konstante Pop-Ins, leere Straßen und spät ladende Texturen in die Realität zurückgeworfen wurde. Auf Konsolen entspricht "Cyberpunk 2077" nicht einmal annähernd der Vision, die die Entwickler in sieben Jahren Entwicklungszeit mühevoll konzipiert und fertiggestellt haben. Statt in diese Spielwelt komplett abzutauchen mit ihrer wunderschönen Neo-Optik, den fantastischen Designs der einzelnen Stadtteile sowie den unendlich vielen kleinen Details an jeder Ecke, erahnen Konsolenspieler lediglich, was Night City als Schauplatz von "Cyberpunk 2077" so einzigartig macht.
Im Kern ein sehr gutes Rollenspiel
Dabei ist das neueste Spiel der Verantwortlichen von Welthits wie "The Witcher 3" im Kern auch wieder ein sehr gutes Rollenspiel. Wie zu erwarten war, ist das Storytelling von CD Projekt Red einfach exzellent: Nicht nur die Hauptquest überrascht immer wieder mit neuen Wendungen, einer sehr guten Inszenierung und qualitativ hochwertiger Dramaturgie, auch die Nebenquests sind wie schon in „The Witcher 3“ teilweise wirklich großartig ausgearbeitet und oftmals die heimlichen Highlights des Spiels. Soundtrack und die Vertonung fallen absolut großartig aus, sowohl in der deutschen Fassung als auch in der englischen Originalausgabe. Die große spielerische Freiheit, die folgenreichen Entscheidungen, das überraschend gute Waffenhandling, die zahlreichen Upgrade-Möglichkeiten für eure Hauptfigur – all diese gelungenen Elemente machen aus "Cyberpunk 2077" ein sehr gutes Rollenspiel. Abzüge gibt es im Gameplay-Bereich vor allem wegen der schwachen K.I. und unnötigen Ärgernissen wie den spawnenden Polizeieinheiten, die es jedoch nicht hinbekommen euch per Vehikel zu folgen.
In den Kernaspekten können wir euch deshalb bedenkenlos eine Kaufempfehlung aussprechen, allen Konsolenfans raten wir jedoch dringend noch abzuwarten – auch glücklichen BesitzerInnen der PlayStation 5 und Xbox Series X. Denn aktuell wird „Cyberpunk 2077“ auch auf den Next-Gen-Konsolen nur per Abwartskompatibilität dargestellt. Auf Xbox Series X im Quality Modus zwar deutlich besser als auf der PlayStation 5 im Performance Modus, aber trotzdem wird das Spiel zu keiner Zeit dieser gewaltigen Vision gerecht, die die Entwickler lediglich in der High End-Variante (im Idealfall mit Raytracing) auf dem PC zementiert haben. Im kommenden Jahr will CD Projekt Red einen Next-Gen-Patch veröffentlichen, der die Hardware der neuen Konsolen voll ausreizen soll. Bis dahin dürften nicht nur ein paar mehr Konsolen im Umlauf sein, sondern hoffentlich auch alle größeren Bugs und Probleme behoben sein.
Es ist jammerschade und leider ein echter Skandal in welchem Zustand "Cyberpunk 2077" auf den Konsolen veröffentlicht wurde. Umso mehr empfehlen wir euch als Tester und auch als passionierte Gamer derzeit die Finger von Konsolenfassungen zu lassen, damit ihr Night City auch so erleben könnt, wie es eigentlich angedacht war. Gleichzeitig ist auch für uns klar: Das kann und wird nicht der finale Test von "Cyberpunk 2077" gewesen sein. Nach den größeren Patches im Januar und Februar werden wir noch einmal nach "Night City" zurückkehren und spätestens nach dem Next-Gen-Update ein finales Urteil zum Spiel un den Konsolenfassungen fällen.
"Cyberpunk 2077" ist am 10. Dezember 2020 für PS4, Xbox One, PC und Google Stadia erschienen. Die PlayStation 5 und Xbox Series X werden aktuell per Abwärtskompatibilitätsmodus unterstützt. Getestet wurde die PS4-Fassung auf einer PS4, PS4 Pro und PS5. Getestet wurde außerdem die Xbox One-Fassung auf einer Xbox Series X.
Einen Gameplay-Trailer seht ihr hier:
Getestet von: David Rams