Ab 8. Oktober 2020 läuft „Milla meets Moses“ in den deutschen Kinos. Regisseurin Shannon Murphy ist mit dem australischen Arthouse-Film ein gleichzeitig berührendes wie aufwühlendes Spielfilmdebüt gelungen.
Bereits in der ersten Szene von „Milla meets Moses“ wird deutlich, was einen in den nächsten 118 Minuten erwarten wird: Abhängigkeit. Abhängigkeit von Drogen, Abhängigkeit von Menschen, Abhängigkeit von Liebe. Millas ausgefallener Milchzahn sinkt in einem Wasserglas (der Originaltitel des Films lautet „Babyteeth“), während im Hintergrund ein Violinensemble den Song „Golden Brown“ der britischen Rockband „The Stranglers“ spielt. In dem Song geht es um ein Mädchen – und um Heroin.
„Milla meets Moses“: Mehr als ein Teenager-Drama
Milla (Eliza Scanlen) ist 15. Doch im Gegensatz zu anderen Teenagern hat sie nicht nur mit klassischen Pubertätsproblemen zu kämpfen, sondern auch mit ihrer Krebserkrankung. Obwohl diese der Kern aller Geschehnisse ist, bleibt der Krebs stets im Hintergrund. Stattdessen geht es vor allem darum, wie ein junges Mädchen mit Alltagsproblemen kämpft, ihre erste große Liebe trifft und versucht, erwachsen zu werden – stets mit dem Wissen, dass ihr dafür nicht so viel Zeit bleibt wie anderen.
„Milla meets Moses“: Darum geht‘s
Milla trifft Moses (Toby Wallace) auf einem Bahnsteig. Schnell wird klar, dass die beiden etwas zu verbinden scheint. Zumindest Milla fühlt sich zu dem drogensüchtigen jungen Mann hingezogen – und nimmt ihn kurzerhand mit zum Abendessen bei sich zuhause. Auf den ersten Blick wirkt der offensichtlich heruntergekommene Moses fehl am Platz. Tätowiert, gepierct und mit blutunterlaufenen Augen sitzt er wie ein Fremdkörper an dem gedeckten Tisch, in dem sterilen Haus, mit einer spießig-perfekten Vorstadtfamilie. Doch der Schein trügt: Während Millas Vater Henry sich immer mehr in seine Arbeit als Psychiater flüchtet, versinkt ihre Mutter Anna bei dem Versuch, mit der Situation zurechtzukommen, in Trauer und Tablettensucht.
Trotz all dieser Umstände erlebt Milla eine großartige Zeit. Sie feiert das Leben, sie tanzt voller Freiheit. Sie strotzt voller Energie und Lebenslust. Mit Moses lernt Milla ihre Grenzen kennen – und überschreitet sie. Er gibt ihr Halt, auch wenn sein eigenes Leben haltlos zu sein scheint.
Millas Eltern sind mit der ungleichen Liaison nicht einverstanden. Moses ist um einiges älter als Milla, drogenabhängig und selbst mit der Situation überfordert. Trotzdem sehen sie nach einiger Zeit ein, dass Moses Milla guttut, und nehmen ihn auf.
„Milla meets Moses“: Eine Art Fazit
Der Film zeigt pure Lebenslust – und doch schwingt stets eine gewisse Melancholie mit. Die Geschichte lebt von unverblümt ehrlichen Nahaufnahmen, sowohl in der Kameraführung als auch in der Nähe zu den Charakteren. Dadurch kann man die unterschiedlichen Arten nachvollziehen, auf denen die einzelnen Figuren versuchen, mit Millas Krebserkrankung umzugehen.
Wann immer die Gedanken zwischendurch abdriften, holen einen die abrupten Übergänge schlagartig zurück zur Handlung. Die Szenen wechseln von lauten Klängen klassischer Musik zu augenblicklicher, ohrenbetäubender, fast schon schmerzlicher Stille.
„Milla meets Moses“ ist tragisch und komisch. Laut und leise. Wahnsinnig lebensfroh und unsagbar traurig. Aber jederzeit berührend.
Geschrieben von Nina Nolte