Es war wieder Festival angesagt in Scheeßel. So lief das Hurricane 2023
Jedes Jahr wieder zieht es im Juni einen ganze Menge an Musik-begeisterten Menschen nach Scheeßel. Auf dem Eichenring fand dieses Jahr zum 25. Mal das „Hurricane“-Festival statt. Als Headliner lockten neben internationalen Größen wie Muse, Billy Talent oder Placebo auch die deutschen Künstler:innen wie Kraftklub, Peter Fox oder die Punk-Legenden Die Ärzte insgesamt rund 78.000 Besucher:innen in den niedersächsischen Ort. Wir waren vor Ort – und auch wenn einige schwierige Situationen aus dem letzten Jahr gelöst wurden, gab es doch wieder einige organisatorische Probleme.
Hurricane-Festival 2023: Der Anreisetag
Das größte davon war bereits am Anreisetag zu bemerken. Einige Fans konnten sich durch eine Kooperation mit der Sparkasse ihr Eintrittsbändchen bereits im Vorfeld abholen. Der große Rest stand pünktlich wie in der App angekündigt um 10 in einer riesigen Schlange vor dem Ausgabezelt – allerdings ohne Ergebnis. Stattdessen mussten die Besucher:innen rund eine Stunde in der prallen Sonne auf dem staubigen Gelände warten, bis man seine Eintrittskarten gegen das Festival-Bändchen eintauschen konnte. Doch auch das ging bei vielen nicht reibungslos, eine ganze Menge an Menschen musste sich beim Ticket-Counter anstellen, da ihr Barcode nicht lesbar war.
Sobald dann das Camping-Gelände offen war schien alles seinen gewohnten Festival-Gang zu gehen. Auf dem „Park“-Gelände, was früher mal „Grüner Wohnen“ hieß, gab es allerdings eine neue Herausforderung. Während im letzten Jahr der Weg zu den festen Toiletten, den Wasserstellen und den Duschen frei war, waren dieser wichtige Anlaufpunkt am Donnerstag durch einen Bauzaun abgesperrt. Auf Nachfrage sagte eine Ordnerin, der sei dafür da, dass die Campingwagen, auf deren Gelände sich alles befand, vernünftige Parkplätze finden und sich entsprechend verteilen. Das führte dann allerdings dazu, dass die Zelt-Gäste kein Zugang zu Wasser hatten, sofern man nicht einmal quer über das komplette Gelände in den regulären Bereich laufen wollte. Letzten Endes wurden die Besucher:innen selbst aktiv, bereits am Donnerstag gab es vermehrt Löcher in der Zaunwand, bevor die Veranstalter einen „offiziellen“ Eingang frei machten.
Ein großes Lob gebührt der neuen Ausrichtung der sogenannten Wildcoast Stage. Nachdem das Festival-Gelände 2022 vergrößert wurde, drangen die Klänge des Partyzeltes bis in die frühen Morgenstunden über das gesamte Camping-Gelände – auch dem Park, wo eigentlich Nachtruhe herrscht. Nun wurde der Aufbau gedreht, Wodurch der Einlass leichter zu kontrollieren war und die Musik nicht weit ziehen konnte. Den Konzerten im Inneren tat dies kein Abbruch, bei Zugezogen Maskulin und Querbeat tanzten sich die ersten schon mal warm.
Hurricane-Festival 2023: Der Freitag
Dies war jedoch nicht notwendig. Denn wie die letzten Male auch sollte das Hurricane 2023 wettertechnisch vor allen Dingen durch eine ganze Menge Sonnenschein glänzen. Das Problem dabei: Der trockene Boden verwandelte die Plätze vor den Bühnen direkt in Staubwüsten. Während das für die Bands sicherlich besonders aussah – die Donots riefen zum Beispiel wieder zum wilden Staubwerfen auf – waren die Gäste darauf erpicht, nicht schon nach dem ersten Festival-Tag wie Sau auszusehen. Also bildeten sich lange Schlangen bei den Wasserstellen, an denen auch die eigenen Flaschen aufgefüllt werden konnten. Doch es gab genügend dieser Punkte, sodass die Wartezeiten angenehm kurz ausfielen. Der Staub war dann vermutlich auch der Grund dafür, dass eines der beliebtesten Merchandise-Produkte in diesem Jahr ein Schlauchtuch war. Dies ließ sich nämlich hervorragend vor Mund und Nase ziehen, um nicht jedes einzelne Schmutzpartikel einzuatmen.
Konzerte-technisch gab es eine schöne Abwechslung zu bestaunen. Während die angesprochenen Donots und wenig später Anti-Flag ein nettes Punk-Doppelpack mit viel Bewegung bildeten, konnte die deutsche Band Provinz im zweiten Jahr in Folge eine erstaunliche Menge an Menschen vor die River Stage bewegen. Viele davon blieben allerdings nicht zum Schluss, denn15 Minuten vor dem Ende des Sets startete auf der Forest Stage Peter Fox. Diese Form der Überschneidung gab es dieses Jahr häufiger, was zu einer ganzen Menge Bewegung zwischen den Bühnen führte. Zum Glück wurde aus dem letzten Jahr gelernt, sowohl der Weg zur Mountain Stage als auch der Bereich zwischen Forest und River Stage wurden größer angelegt – bei letzterem kam es im letzten Jahr zu einer heiklen Situation mit viel Gedränge, als die Besucher:innen von K.I.Z rüber zu Deichkind wechseln wollten.
Während Peter Fox seine größten Hits und Songs des neuen Albums „Love Songs“ routiniert runterspielte, standen bereits einige Fans für die kanadischen Punk-Rocker von Billy Talent an. Wie immer befand sich der Eingang zu dem ersten Wellenbrecher an der linken Seite der Bühne, einige Meter weiter befanden Dixie-Klos und ein Wasserstand. Als der Seeed-Frontman mit seinem Set durch war gab es dann eine unschöne Überraschung: Statt wie seit langer Zeit immer die Leute über die rechte Bühnenseite aus dem Wellenbrecher zu lotsen, wurden beide Seiten als Ausgänge geöffnet. Das Ergebnis war also, dass sich drei unterschiedliche Menschenströme stauten – eine unangenehme Situation für alle, für die es keine Erklärung gibt. Der Auftritt von Billy Talent war dann gespickt mit einer ganzen Menge Songs, die vor allem aus ihrem früheren Schaffen stammen, was vorne von einer ganzen Menge tanzender Fans freudig begrüßt wurde.
Den Abschluss machte dann Kraftklub. Wer hier nach vorne wollte, musste rechtzeitig da sein – die Menschenmenge war beeindruckend. Das konnte man von der Soundabmischung nicht sagen. Es mag am Platz weit hinten im Feld gelegen haben, aber außer der Lead-Gitarre war nur sehr wenig herauszuhören. Ansonsten lieferten die Jungs rund um Sänger Felix Brummer eine gewohnt gute und launige Live-Show mit eindeutiger Positionierung zu aktuellen Themen.
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Hurricane-Festival 2023: Der Samstag
Der Wetter-Trend sollte sich auch über weite Strecken am Samstag halten. Und auch wenn Sonnenschein bei Künstler:innen wie James Bay oder Two Door Cinema Club durchaus passen, merkte man die Erschöpfung allerorts, jede Wolke wurde mit einem lauten Aufatmen begrüßt. Dementsprechend war der Wolkenbruch, der am frühen Abend recht plötzlich über Scheeßel niederging, auch eher ein Segen. Die Donnergeräusche lösten bei manchen alten Hasen schlechte Erinnerung an 2016 aus, als ein gesamter Festival-Tag ins Wasser fiel. Doch die Veranstalter beruhigten per App, das Gewitter zog innerhalb von rund 45 Minuten vorüber und der Tag konnte weiter gehen – ab jetzt sogar ohne Staubwolken.
Die größte Kontroverse in diesem Jahr war sicherlich der Auftritt von Rapper Marteria. Dieser wurde in den USA nach einem Streit mit seiner Partnerin von der Polizei in Gewahrsam genommen, es kam nicht zur Anklage. Nachdem dem Festival ein nicht näher genannter Headliner abgesprungen war, wurde der Rostocker als Ersatz genommen. Für einen der eigentlich größten Acts des Festivals fanden sich allerdings verhältnismäßig wenige Besucher:innen vor der Bühne ein.
Ganz anders sah es bei Muse aus. Die Briten sind seit jeher die musikalische Verkörperung des Sprichwortes „Klotzen, nicht kleckern“. So gab es einen extra Laufsteg für Sänger Matthew Bellamy, zwischen manchen Songs gab es ausufernde Videos auf den Leinwänden zu bestaunen und im Hintergrund wachte ein riesiger Kopf über das Publikum. Dass dabei jeder einzelne Ton von neuen Songs wie „Will of the People“ oder Klassikern wie „Plug In Baby“ saß, machte den Auftritt zu einem der größten Highlights des Festivals. Den Abschluss des Tages machte dann Casper. Der Rapper sprang gewohnt energetisch über die Bühne und führte im Set quer durch sein bisheriges Schaffen, mitsamt seines brandneuen Songs „emma“. Mit dabei waren Drangsal („Keine Angst“) sowie Tua („TNT“) - nur Marteria wurde nicht auf die Bühne gebeten, obwohl mehrere Songs gespielt wurden, die eigentlich Features der beiden sind.
Hurricane-Festival 2023: Der Sonntag
Dass die bisherigen Tage ihren Tribut zollten, merkte man bereits früh am Festival-Tag bei Nina Chuba. Die frühere Kinderdarstellerin („Die Pfefferkörner“) weiß, wie man eine Masse an Menschen in den Bann zieht. Aber wenn selbst beim größten Hit „Wildberry Lillet“ eher eher mitgewippt als getanzt wird, kann selbst die beste Entertainerin wenig ausrichten. Anders erging es Frank Turner. Der ist mit seiner Band, den „Sleeping Souls“, Dauergast beim Festival und versuchte, komplett auf Deutsch durch seinen Auftritt zu führen. Das klappte eher mittelprächtig, aber die Mischung aus Folk und Punk, gepaart mit der ansteckenden Energie des Sängers, sorgte für gute Stimmung im Mosh Pit.
Da war der Blues-Rock von Kaleo oder wahlweise die schmissigen Pop-Nummern von Clueso eine willkommene Abwechslung, bevor es Abends nochmal in die Vollen ging. Die Stoner-Rocklegenden von Queens of the Stone Age gingen mit ihrem wohl bekanntesten Song „No One Knows“ direkt nach vorne, was von den Fans mit wilden Tanzeinlagen goutiert wurde. Die Band rund um Josh Homme war enorm gut aufgelegt und spielte sich quer durch ihr Schaffen, mit „Head of the Haunted House“ gab es sogar einen Song, den sie auf ihrer Tour noch gar nicht gespielt hatten.
Bei Placebo hingegen schien keine richtige Stimmung aufkommen zu wollen. Abgesehen davon, dass mit „Special K“ und „Every You, Every Me“ zwei ihrer bekanntesten Songs fehlten, war der melancholische Rock von Brian Molko und Stefan Olsdal am dritten Festival-Tag schlecht aufgehoben, obwohl der einsetzende Sonnenuntergang die Stimmung perfekt machen sollte. Doch schon früh lichteten sich die Reihen, denn die bäste Band der Welt bildete den Festival-Abschluss.
Dass Die Ärzte einige Minuten früher als geplant plötzlich mit „Westerland“ ihren Auftritt starteten, war die wohl größte Überraschung des gesamten Wochenendes. Farin Urlaub, Bela B. und Rodrigo González waren wie immer bestens aufgelegt, um den Fans das zu liefern, was man bei einer Ärzte-Show erwartet: Ein wilder Ritt durch die Bandgeschichte, wobei es dieses Mal eine ganze Menge an jüngeren Songs gab, eine ganze Menge an Drumsticks, die von Bela durch die Gegend geworfen werden und zahlreiche Unterbrechungen mit absurd-spontanen Witzen. Man weiß, was man bei den Berlinern bekommt – und doch ist es jedes Mal ein Erlebnis, so auch dieses Mal. Nach den rund zwei Stunden gingen diejenigen, die noch nicht abreisten, glücklich und beseelt in ihre Zelte und Wohnwägen zurück.
Hurricane-Festival 2023: Abreisetag und Fazit
Am Montag morgen dann das übliche Bild. Wo kurz vorher noch tausende Zelte standen, ist plötzlich wieder das Feld zu erkennen. Man sieht schwitzende Menschen, die versuchen, möglichst alle Utensilien in einen Bollerwagen zu stopfen, um nicht nochmal rennen zu müssen. Freiwillige fahren mit einem LKW durch die Gegend, um die noch Dagebliebenen ihre Müllsäcke abzunehmen. Dabei ist auffällig: Kein einziger Pfandsammler war in Sicht. Insgesamt war es wieder ein äußerst gelungenes Festival. Die Konzerte liefen reibungslos ab, die Künstler:innen waren sehr umsichtig in der Interaktion mit dem Publikum und das Drumherum, wie zum Beispiel Essensstände oder anderweitige Beschäftigungen, war rundum gelungen. Trotzdem gab es auch wieder einige nervige Organisations-Probleme, die aus der Konsumenten-Sicht einfach nicht notwendig wären. Das tat der Staubparty in Scheeßel allerdings keinen Abbruch.
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